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Ausgabe 1, Band 8 – April 2016

Francesca Raimondi: Die Zeit der Demokratie. Politische      Frei­heit nach Carl Schmitt und Hannah Arendt, Konstanz: Konstanz University Press, 2014, 222 Seiten, € 27,90.

Die Demokratie macht sich selbst aus ihrer Praxis heraus“ (Raimondi)

 

Demokratie versteht sich nicht von selbst. Sie ist keineswegs selbstverständlich, schon gar nicht im Zeitalter der ‚Postdemokratie’. Dieser Krisendiagnose stimmt Raimondi weitge­hend zu, wenn sie auch die dramatisierende Emphase mancher Protagonisten nicht teilt. Raimondi sieht ebenfalls „etwas Morsches“ in der Demokratie, wie sie mit einem Wort von Walter Benjamin bemerkt (S. 9). Politik werde zunehmend zu einer Erfüllungsgehil­fin der Ökonomie. Scheinbar alternativlos folge sie den Imperativen der globalisierten Märkte. Damit verliere das Versprechen demokratischer Selbstbestimmung an Kraft und verkomme zur Ideologie. Paradoxerweise gerate die Demokratie in dem Moment in eine tiefe Krise, in dem sie ihre Hegemonie errungen habe und zum weltweiten Maßstab politi­scher Legitimität geworden sei. Raimondi betrachtet die Krise der Demokratie jedoch als positiv und als Chance, weil sie unhinterfragte Vorurteile und scheinbare Selbstverständ­lichkeiten auflösen könne und erneut das Denken und das Experimentieren anrege. Die Krise hat für sie eine vitalisierende Kraft und schützt vor Selbstzufriedenheit und geisti­gem Stillstand. Demnach ist die Krise gewissermaßen die angemessene Existenzweise der Demokratie. Demokratie ist, wenn sie lebt, immer in der Krise. Anders als Badiou und Žižek, die „im Politikverfall die ‚Wahrheit’ der Demokratie sehen“ (S. 10) und Demokratie wieder als ein Schimpfwort etablieren möchten, indem sie Kapitalismus und Demokratie miteinander identifizieren1, unternimmt Raimondi eine radikale Befragung der Demokra­tie. Ihre dekonstruierende Kritik der Demokratie ist nicht diffamierend, sondern rettend und öffnend. Es sei notwendig, den demokratischen Bezug auf Freiheit und Gleichheit al­ler zu erhalten und zu stärken. Bevor wir für die Überwindung der Demokratie plädieren, sollten wir darüber nachdenken, in welchem Verhältnis diese Prinzipien zueinander ste­hen, welche Funktion sie politisch besitzen „und wie sie sich praktisch und institutionell verwirklichen“ (S. 11). Dies sei alles noch nicht ausgemacht.

Gerade diese praktische Dimension von Demokratie steht im Zentrum ihres Interesses, wodurch sich Raimondi vom Mainstream der aktuellen Demokratietheorien unterschei­det, die ihren Fokus auf die Frage demokratischer Legitimität oder auf das institutionelle Arrangement legen, „ohne dabei der Frage nachzugehen, wie Praktiken Legitimität erlan­gen und Ordnungen entstehen. […] Freiheit und Gleichheit verwirklichen sich vielmehr erst in und mit der politischen Praxis, die an der Verwirklichung von Freiheit und Gleich­heit teilhat – in diesem Zirkel liegt der Einsatz und auch die ‚Wette’ der Demokra­tie“      (S. 11).

Diese Ansicht begründet eine weitere Grundansicht Raimondis. Sie plädiert strikt da­für, die Demokratie von ihren etatistischen und institutionellen Engführungen zu befrei­en. „Demokratien sind keine Staaten, vielmehr werden Staaten demokratisiert und auf demokratische Praktiken (des Entscheidens und Handelns) umgestellt“ (S. 14). Demokra­tische Praktiken lassen sich nicht territorial oder institutionell einschränken, sondern be­sitzen immer einen transzendierenden, revolutionierenden Überschuss. „Demokratische Politik ist daher wesentlich eine Politik, die auch jenseits von etablierten Institutionen stattfindet bzw. stattfinden soll. Denn nur von einem solchen Außen her lassen sich die institutionell festgefrorenen Verständnisse von Freiheit und Gleichheit hinterfragen und mit neuen Anliegen konfrontieren“ (S. 15). Hier offenbart Raimondi ein durchaus restrik­tives Institutionenverständnis, in dem Institutionen immer beschränken, stillstellen, ein­frieren und deshalb von außen geöffnet, vitalisiert und verändert werden müssen. Das steht in einer von ihr nicht aufgelösten Spannung zu ihrem Versuch, die Ermöglichungs­dimension von Verfassungen und Rechtssetzungen herauszuarbeiten (vgl. S. 140). Dieses Institutionenverständnis kann den Sinn von „Institutionen der Freiheit“ (Arendt) nicht erfassen.

Dessen ungeachtet bleibt aber richtig, dass das Ende des Nationalstaates nicht automa­tisch das Ende der Demokratie bedeutet. Solange Menschen handeln und Entscheidungen treffen, stellt sich die Frage nach Gleichheit und Freiheit und damit die Frage nach der Demokratie. „Dieser Anfang ist immer und überall da und bereit“ (EU, 979). Mit Derridas „démocratie à venir“ wendet sich Raimondi gegen abschlusshaftes Denken. Demokratie sei nie fertig, sondern befinde sich immer im Kommen (vgl. S.116). Sie ist immer erst im Begriff, sich zu verwirklichen und deshalb „nie wirklich gegenwärtig“ (S. 99). Freiheit sei kein Zustand, sondern ein permanenter Versuch der befreienden Überschreitung; ein be­ständiger Prozess der Demokratisierung. Das erklärt auch die Betonung der zeitlichen Di­mension im Titel. Praxis verstanden als Entwicklung benötigt Zeit und ist immer in der Zeit. „Demokratie ist eine politische Form, […], die im Prozess ihrer Instituierung ver­harrt“ (S. 99). Problematisch scheint mir aus einer Arendt’schen Perspektive, dass Rai­mondi die Gründung der Freiheit und das Bedürfnis nach Dauerhaftigkeit und Stabilität unterschätzt und zu einer Bejahung der permanenten Revolution neigt.

Um die Demokratie erneut zu einer „offenen Frage“ zu machen, geht Raimondi in zwei Schritten vor. Im ersten Teil des Buches widmet sie sich dem Modell der Volkssouveräni­tät, das sie mit Carl Schmitt entfaltet, einerseits und dem Modell der deliberativen Demo­kratie, für das Raimondi zufolge Arendt stehe, andererseits. Beide Modelle sind in ihrer Abgeschlossenheit unbefriedigend und stoßen an ihre Grenzen. Je auf besondere Weise vertreten Schmitt und Arendt einen „politische[n] Purismus“ (S. 58), der wesentliche Di­mensionen der politischen Freiheit nicht fassen kann. Raimondi unternimmt dann den Versuch einer Neubestimmung der Demokratie anhand der Begriffe Genealogie, Prozess und Subjekt. Hier verbindet sie Ansätze von Derrida, Lefort, Foucault, Rancière und Luh­mann auf eine produktive, aber doch sehr abstrakte Weise. Mit Hilfe der Genealogie und der Dekonstruktion Derridas zerstört sie die Idealisierungen, die in den historischen Nar­rativen Schmitts und Arendt stecken, um ein realistischeres Bild der Gründungsereignisse zu bekommen. Im Abschnitt, der sich dem Prozessualen widmet, erarbeitet Raimondi ein der Demokratie angemessenes Rechts-, Politik- und Verfassungsverständnis, das den immer wieder erforderlichen Befreiungsakten Rechnung trägt. Im letzten Abschnitt fragt sie mit Foucault und Rancière danach, wie der Prozess der Subjektivierung, die Politisierung der Ausgeschlossenen verstanden werden kann und muss.  

Das Modell der Volkssouveränität verbindet Raimondi mit Carl Schmitt. Sie adelt Schmitt bei aller Kritik somit als ernstzunehmenden Demokratietheoretiker, was eine nicht geringe intellektuelle und emotionale Zumutung bedeutet. Hannah Arendt wird als Vertreterin der deliberativen Demokratie betrachtet, in deren Zentrum das plurale Han­deln und Urteilen stehe. Beide Dimensionen, (souveränes) Entscheiden und Handeln, sind für eine Bestimmung der demokratischen Freiheit wesentlich. Beide Modelle sind ih­rer Getrenntheit blind für die jeweils andere Dimension. Schmitt beachte nicht die Ent­stehung von demokratischen Entscheidungen, die Entstehung eines gemeinsamen Wil­lens. Er setze vielmehr von vornherein das Volk als festes, substantielles Willenssubjekt der Entscheidung voraus. „Arendts Politikbegriff idealisiert dagegen die Pluralität der po­litischen Praxis als eine nicht-vermachtete, an der alle angeblich gleich frei teilnehmen können. Diese Voraussetzung unterschlägt aber die Position all derjenigen, für die das (noch) nicht gilt, die also unterdrückt und von den politischen Entscheidungen gleich­wohl betroffen sind. Für diese Gruppen, […] ist Politik etwas anderes als die Partizipation an einer pluralen Praxis der bereits Freien und Gleichen – und diese Politik der Ausge­schlossenen sprengt in der Tat Arendts Politikvorstellung“ (S. 58; Herv. J.F.). Arendt er­kenne nicht, dass Gründungsereignisse durchaus gewaltförmige Schließungsprozesse sind. In jeder Gründung stecke ein gewisses Maß an willkürlicher Gewalt (vgl. S. 101- 132). Dies ist ein sonderbares Argument, weil es ja dazu führt, Gewalt zu rechtfertigen. Wenn jeder Staat notwendig auf Gewalt gründet, wie Trotzki sagt, dann ist der Ausschluss kein Skandal, sondern normal und deshalb ist revolutionäre Gewalt gerechtfertigt. Gleich­zeitig kann das Argument von Raimondi nur auf einer faktischen Ebene Geltung beanspruchen. Das normative Prinzip der Pluralität kann es nicht berühren, weil es ledig­lich die faktische Beschränkung der Pluralität kritisiert und fordert, neue Gruppen in die Pluralität aufzunehmen. Arendt leugnet demgegenüber nicht die Bedeutung des Aktes der Befreiung, von dem sie annimmt, dass er eher gewalthaltig ist. Sie betont, dass dieser Akt nicht mit der Revolution identisch ist, wie es seit der Französischen Revolution eine weit­verbreitete Annahme war. Auch für Arendt war das Vergessen der afroamerikanischen und indianischen Bevölkerung ein Skandal (vgl. Arendt 2000a, 311ff.). Aber Befreiung ist nicht Freiheit und löst das Problem des zwischenmenschlichen Zusammenlebens noch nicht. Wenn Raimondi mit Lefort die Gewaltenteilung hervorhebt, „mit der die ursprüng­liche Einheit der souveränen Macht, die noch in Rousseaus Republik gelten soll, außer Kraft gesetzt wird“ (S. 127), dann ist es verwunderlich, dass sie von dem föderalen Prin­zip, in dem Arendt eine wesentliche Errungenschaft der Amerikanischen Revolution er­blickt, kaum Notiz nimmt.

Raimondi erachtet die souveräne Entscheidung als eine unhintergehbare Dimension demokratischer Politik, die auf politische Selbstbestimmung und die Ablehnung jeder Form von Fremdherrschaft und Unterwerfung abzielt. Anders als für Arendt ist für Rai­mondi nicht die Souveränität das Problem, das die Demokratie lösen muss. „Keine demo­kratische Ordnung ist ohne Souveränität denkbar und dennoch erschöpft die Sou­veränität die demokratische Freiheit nicht“ (S. 20). Problematisch werde die Bestimmung der Volkssouveränität bei Schmitt erst, wenn er sie mit der Idee der Homogenität und Identität des Volkes und seiner Freund-Feind Unterscheidung verbinde. Hierdurch würde das Volk zu einer vorgegebenen Substanz, zur Nation oder zur naturhaften völkischen Substanz, wodurch der Bezug der Demokratie zur universellen Freiheit und Gleichheit al­ler zerstört wird. Mit dieser Verbindung „wird die demokratische Freiheit wiederum apo­retisch oder löst sich geradezu auf: Ihre Genese wird unverständlich und ihre weitere Ver­wirklichung an ein sich notfalls gewaltsam von anderen abschottendes Kollektiv gebun­den. Ist demokratische Politik als unbedingte Freiheit des Volkes zu denken und kann eine solche Freiheit sich ohne souveräne Entscheidungs- und Bestimmungsakte nicht ver­wirklichen, so dürfen diese allerdings keinem von vornherein einheitlichen Volk zuge­schrieben werden, will man dessen Freiheit nicht wieder kassieren“ (S. 13). Es stellt sich hier die Frage, warum ein souveränes Kollektiv, ein souveräner Nationalstaat sich dieser Beschränkung unterwerfen sollte. Warum besitzt die Demokratie eine unhintergehbare Beziehung zur universell verstandenen Freiheit? Ein Zeichen der Souveränität besteht doch gerade darin, niemandem Rechenschaft über ihre Entscheidungen und ihr Handeln schuldig zu sein und sich jeder rechtlichen Norm zu entledigen. Niemand kann den Sou­verän legitimer Weise rechtlich belangen, weil es keine Macht über ihm gibt. Tut man es doch, wie in Nürnberg geschehen, wird es von den Vertretern der staatlichen Souveräni­tätslehre als Siegerjustiz diffamiert. „Die Entscheidung macht sich frei von jeder normati­ven Gebundenheit und wird im eigentlichen Sinne absolut“ (Schmitt 1993, 18). Souverä­nität bedeutet uneingeschränkt über die eigenen Grenzen und Mitglieder entscheiden zu können. Ja, sie bedeutet auch das Recht, diese Grenzen überschreiten zu können; ius ad bellum. Staaten „[sind] in keiner Domäne souveräner […], als wo es sich um ‚Emigration, Naturalisation, Nationalität und Ausweisung‘ handelt“ (Arendt 2001, 585). In einem Sys­tem souveräner Nationalstaaten ist für Arendt das Problem der Staatenlosen nicht lösbar. Solange es die Souveränität des Staates gibt, hängen Staatenlose von der Gnade des Sou­veräns ab. Es ist nicht überzeugend, wenn Raimondi die Arendtsche Kritik an der Souve­ränität als eine „Kritik der Reduktion politischer Praxis auf den Akt souveränen Entschei­dens und einer allzu buchstäblich verstandenen (also identitären) Selbstbestimmung“ (S. 13) versteht. Arendts Kritik ist prinzipieller und fundamentaler. Souveränität ist für Arendt die Leugnung der Pluralität und damit antipolitisch, da sie die Freiheit unter Glei­chen zerstört. Der Grund liegt darin, dass Souveränität, die menschliche Beziehungen Arendt zufolge immer nach dem Muster von Befehl und Gehorsam deutet, die Freiheit als Willensfreiheit und als Unabhängigkeit versteht. Seit Bodin und Hobbes ist das Ideal des Politischen „die Souveränität, die Unabhängigkeit von allen anderen und gegebenenfalls das Sich-Durchsetzen gegen sie“ (Arendt 2000b, 213). Für Arendt ist die Freiheit des Handelns nur jenseits der Egozentrik und Beziehungsunfähigkeit der Souveränität zu ha­ben. Für Schmitt hingegen basiert nicht nur das Recht, sondern auch die Demokratie auf Homogenität, was für ihn das souveräne Recht beinhaltet, das Heterogene auszuschließen und gar zu vernichten (vgl. Schmitt 2010, 14). An der Rechtlosigkeit und Willkür souverä­ner Politik kann auch die Verschiebung vom Ausnahmezustand zur „relativen Ausnahme“ (S. 38), die Raimondi durchführt, nichts ändern, weil die einzige Entscheidungsinstanz wiederum der Souverän ist, der nach eigenem Gutdünken entscheidet. Das alles weiß Raimondi sehr wohl und wird auch irritierender Weise in ihrem Buch erwähnt (vgl. S. 60ff.). Sie bemerkt selbst, dass die „Entscheidung zur ‚Regellosigkeit’ – zur temporären Aufhebung des Rechts – [...] selbst regellos [ist]“ (S.38), will heißen, sie liegt ganz im Ermessen des souveränen Willens, der von niemandem zur Rechenschaft gezogen werden kann. Das lässt nur den Schluss zu, dass sie diese Positionen von Arendt nicht ernst nimmt. Im pluralen Zwischen des interpersonalen Bezugs, wie es Arendts Handlungsbe­griff zu fassen versucht, ist mit der Position der souveränen Entscheidung nicht zu ver­mitteln. Raimondi gelingt es in ihrem Buch meines Erachtens nicht, die Möglichkeit sou­veräner, außerrechtlicher Entscheidungen jenseits des Willenssubjektes zu plausibilisie­ren. Von der restlos zerstreuten, entsubstantialisierten, entkörperten Souveränität kann letztlich nur noch metaphorisch die Rede sein (vgl. 170).

Für Raimondi stellt sich aber eher das Problem des identitären Selbstbezugs. „Wenn Autor und Adressat der politischen Entscheidung niemals absolut identisch sein können, dann genügt es nicht mehr, dass das Volk will – weil es nämlich gar nicht ‚das’ Volk ist, was die Entscheidung trifft“ (S 47). Dann stellt sich jedoch die Frage, wer entscheidet, d.h. wer souverän ist. Wenn in der Demokratie der Ort der Macht leer bleiben muss und kei­nem Subjekt mehr verkörpert werden kann, wie Raimondi mit Lefort betont, dann kann sich auch kein Subjekt mehr die souveräne Entscheidungsmacht anmaßen, denn dies würde bedeuten, dass es in der Macht des Souveräns liegen würde, zu entscheiden, wie lange er diesen Ort besetzen kann. Der leere Ort der Macht, Arendts Zwischenraum kann nur funktionieren, wenn sich die Subjekte an institutionelle Spielregeln und Versprechen halten und nicht meinen, sie könnten die Regel souverän nach ihrem Gusto gestalten (vgl. S. 127). Erweist sich die Vorstellung eines einheitlichen, kollektiven Willens als unhaltbar, wovon Raimondi zu Recht ausgeht, dann wird auch die souveräne Entscheidungsinstanz zur fatalen Fiktion, die nur funktioniert, wenn alle so handeln würden, als wenn sie einer wären. Damit soll die Wichtigkeit und Notwendigkeit politischer Entscheidungen nicht bestritten werden, es geht vielmehr darum, mit welcher Haltung man Entscheidungen trifft. Nicht jede Entscheidung ist eine souveräne Entscheidung.

Raimondis Buch ist eine Herausforderung. Das Grundanliegen und viele Überlegungen sind mir sympathisch und werden überzeugend argumentiert. Jedoch hinterlässt vor al­lem die Auseinandersetzung mit Carl Schmitt und der Souveränität einige Fragezeichen und die angestrebte Zusammenführung von Arendt und Schmitt erachte ich eher als ge­scheitert. Die Notwendigkeit der souveränen Entscheidung für die Demokratie hat sich mir nicht erschlossen. Vielmehr hat sich Raimondis Umgang mit der Bedeutung von Sou­veränität in zunehmendem Maße ins Nebulöse verflüchtigt. Wenn Raimondi gegen Arendt einwendet, sie hätte versäumt, Freiheit und Befreiung nicht in einem angemesse­nen Verständnis integriert zu haben, sodass ihre Konzeption einseitig bleibe und ihrem Anspruch, Politik als Freiheit zu verstehen, nicht gerecht würde, was angesichts von aus­führlichen Erörterung in Über die Revolution etwas verwundert, so trifft diese Einschät­zung eher auf Raimondi selbst zu, da sie Freiheit mit Befreiung identifiziert.

Literatur

Arendt, Hannah, 2000a: In der Gegenwart. Übungen im politischen Denken II, München, Piper.

Arendt, Hannah, 2000b: Zwischen Vergangenheit und Zukunft. Übungen im politischen Denken I, 2. durchgesehene Auflage, München, Piper.

Arendt, Hannah, 2001: Elemente und Ursprünge totaler Herrchaft: Antisemitismus, Imperialismus, totale Herrschaft. Ungekürzte Tachenbuchausgabe, 8. Auflage, München, Piper.

Schmitt, Carl, 1993: Politische Theologie. Vier Kapitel zur Lehre von der Souveränität. 6. Auflage, Berlin: Duncker und Humblot.

Schmitt, Carl, 2010: Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus. 9. Auflage, unveränd. Nachdr. der 1926 erschienenen 2. Auflage, Berlin: Duncker und Humblot.

Jürgen Förster

1 Raimondi betrachtet den Kapitalismus und die Demokratie mit Wendy Brown eher als „’zweieiige Zwillinge’ [...], die unter denselben Umständen entstanden und gemeinsam groß geworden sind.“ Sie seien aber nicht „ein und dieselbe Angelegenheit – und sie sehen sich nicht einmal ähnlich“ (S. 16).