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Ausgabe 1, Band 4 – Mai 2008

Zur Verabschiedung von Frau Dr. Ingeborg Nordmann am 16. November 2007

Barbara Hahn

 

Vorbemerkung der Redaktion: Dr. Ingeborg Nordmann, unser Redaktionsmitglied der ersten Stunde, beendete 2007 nach sechzehn Jahren ihre Tätigkeit als Studienleiterin bei der Evangelischen Stadtakademie in Frankfurt am Main. Auf einer Feierstunde zur Verabschiedung hielt Frau Professor Dr. Barbara Hahn (Vanderbilt University, Nashville, TN) die Festrede. Mit freundlicher Genehmigung von Barbara Hahn veröffentlichen wir diese Rede im folgenden zum ersten Mal.

Ingeborg Nordmann erregte als Autorin im Rahmen der Hannah-Arendt-Forschung 1985 mit ihrem Aufsatz „Alle Freiheit liegt in diesem Anfangenkönnen“ im linksintellektuellen Freibeuter Aufsehen , weil sie eine andere Perspektive auf Hannah Arendt entwickelte als die in den 1970er Jahren vorherrschende Kritik. Heute kann sie auf eine stattliche Liste eigener Veröffentlichungen und Editionen zu Arendt zurückblicken. Hier eine Auswahl:

– „Alle Freiheit liegt in diesem Anfangen-können. Zu Hannah Arendt.“ In: Freibeuter 24, Berlin, 1986.

– „Erfahrungsfähigkeit und Differenz. Rosa Luxemburg und Hannah Arendt über das politische Handeln.“ In: Die Neue Gesellschaft. Frankfurter Hefte 5, Mai 1990.

– „Erfahrungen in einem Land, das die Realität verloren hat.“ In: Hannah Arendt. Besuch in Deutschland, Berlin 1993.

– Hannah Arendt. Zur Einführung. Frankfurt a. M.1994.

– „In keinem Besitz verwurzelt“. Hannah Arendt – Kurt Blumenfeld. Die Korrespondenz. Hrsg. gemeinsam mit Iris Pilling, und Essay, Hamburg 1995.

– “How to write about totalitarianism?“ In: Über den Totalitarismus. Berichte und Studien des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung an der TU Dresden, Nr. 17, Dresden 1998.

– „Auf Freiheit kommt es an“. Essay zu Hannah Arendts Rede anlässlich der Auszeichnung mit dem Lessingpreis 1959, Hamburg 1999.

– Hannah Arendt, Denktagebuch, Hrsg. gemeinsam mit Ursula Ludz, München 2002.

– „Hannah Arendt. Wege ins politische Denken.“ In: culture club 2, Frankfurt a. M. 2006.

­ „Die Vita Activa ist mehr als praktische Philosophie“ In: Verborgene Tradition – Unzeitgemäße Aktualität? Heinrich Böll Stiftung (Hrsg.), Akademie Verlag 2007./ “The Human Condition. More Than a Guide to Practical Philosophy”, Social Research, Fall, 2007.

– Artikel: „Über das Böse“, „ Denktagebuch“, „Kurt Blumenfeld“, „Sören Kierkegaard“, „Rosa Luxemburg“, „Aporie“ und "Denken". In: Hannah Arendt Handbuch, Hrsg. Wolfgang Heuer, Bernd Heiter und Stefanie Rosenmüller, Stuttgart (erscheint 2009).

Wir nehmen das Frankfurter Ereignis zum Anlass, um seitens der Redaktion eine engagierte, kompetente und auch von uns stets das Nachdenken und Offenhalten der Denkräume einfordernde Kollegin zu ehren.

 

Eine der ersten Veranstaltungsreihen, die Ingeborg Nordmann für die Stadtakademie organisierte, stand unter dem Titel Denken ohne Geländer (Oktober bis Dezember 1993). In der Broschüre findet sich ein Satz, der über ihrer gesamten Tätigkeit an der Evangelischen Stadtakademie stehen könnte. Er stammt ebenso wie der Titel der Reihe von Hannah Arendt: "Die Gefahr ist, dass das Politische überhaupt aus der Welt verschwindet." Dieser Satz wurde vor ein paar Jahrzehnten geschrieben, und die Gefahr, die er beschreibt, ist keinesfalls gebannt. Im Gegenteil. Der Raum des Politischen wird enger und enger. Umso wichtiger sind Orte, an denen dieser Gefahr getrotzt wird. An denen sich Menschen treffen, die sich ihr stellen und entgegenstellen. Warum aber ist das Verschwinden des Politischen so gefährlich? Die Serie von Programmen, die Ingeborg Nordmann entwickelt hat, formulierten darauf eine klare Antwort. Man kann sie lesen als Einspruch gegen dieses Verschwinden, als Versuch, dieser Tendenz immer wieder etwas entgegenzusetzen und Öffentlichkeit herzustellen. Als Einladung, über das Politische nachzudenken und sich politisch zu verhalten. Im Rückblick auf Frau Nordmanns Jahre hier in Frankfurt zeigt sich ein solcher Reichtum von Zugängen zu den Fragen unserer Zeit, dass ich nur ahnen kann, wie viel Arbeit dahinter steht. Wie viele Lektüren und Überlegungen gehen jedem einzelnen Programm voraus, wie viele Gespräche mit Wissenschaftlern, Politikern und Künstlern. Apropos Künstler: Die kleinen Broschüren, die in die Stadtakademie luden, alle einheitlich gestaltet, oben farbig, unten schwarz, hervorragendes Layout, wären eine Ausstellung wert. Zu jeder Veranstaltungsreihe möchte man hingehen. Beim Blättern und Lesen in diesen Programmen tut sich eine überwältigende Fülle unterschiedlichster Probleme auf, die hier bewegt wurden; aus nah und fern kamen Referenten und füllten die Räume der Stadtakademie mit ihren Gedanken.

Die Vorlesungsreihen zeigen eine klare Handschrift: Hier wurde nichts auf "Verständlichkeit" herunterdekliniert oder pädagogisiert. Hier sollte nichts vermittelt werden, von Experten an die sogenannten Laien. Eine solche "Vermittlung" stiftet Hierarchien. In hierarchischen Strukturen aber ist genau das unmöglich, was Frau Nordmanns Anliegen ist: gängige Denkmuster in Frage zu stellen, zum Nachdenken anzustiften. Im Vertrauen darauf, daß die Zuhörer denken können und mitdenken wollen. Das war auch eine Frage an die Referenten: Waren sie bereit, ihr Wissen in einen Raum zu stellen, der sich im Sprechen immer erst konstituiert? In einen Raum, in dem nach dem Vortrag das Gehörte zusammen bewegt wurde. Ich kann mich an viele solche Gespräche erinnern. Die Reisen nach Frankfurt waren sicher nicht nur für mich Reisen an einen Ort, an dem Unbehagen an eingefahrenen Sprachen, an dem Neugier und Wissbegier einen Platz fanden.

Die Arbeit von Frau Nordmann fiel in eine Zeit großer Umbrüche. Die Mauer war gefallen, Deutschland ein Land geworden. Dass dies zu unseren Lebzeiten geschehen würde, damit hatten wir wohl alle nicht mehr gerechnet. Doch die anfängliche Ratlosigkeit angesichts einer Situation, für die uns weder eine theoretische noch eine politische Sprache zur Verfügung stand, schlug bald in einen Konservatismus um, der dieses Land heute prägt. Bald stellten sich Begriffe ein, die zu erklären schienen, was noch lange nicht verstanden war. „Globalisierung“ heißt eines dieser Zauberworte. „Terrorismus“ ein anderes. Gleichzeitig gerieten wir in einen Strudel technologischer Neuerungen wie ihn etwa die Gentechnologie repräsentiert oder die Hirnforschung, die uns verspricht, das alte Problem von Determinierung versus freier Wille zu lösen.

In dieser Situation war es für die Stadtakademie ein Glücksfall, dass Ingeborg Nordmann - oft allein und immer wieder auch mit anderen – für die Programmgestaltung zuständig war. Sie hatte ihr Denken an einer Theoretikerin geschult, auf die man sich in dieser Zeit des Umbruchs stützen konnte. Ein System hatte sie nicht zu bieten, und gerade darin bestand die Chance. Ich spreche von Hannah Arendt. So sehr uns das "traditionelle Denken auch ans Herz gewachsen sein mag", schrieb sie einmal, es passe nicht mehr für die Welt nach dem Traditionsbruch. Auf jedem Wort haben sich die Sedimente einer langen Geschichte abgelagert. Jedes Wort sei eine "abgegriffene Münze". Und nun sei zu fragen, "woher die Begriffe kamen, bevor sie abgegriffenen Münzen und abstrakten Verallgemeinerungen zu ähneln begannen. Denn die Erfahrungen, die selbst hinter den abgedroschensten Begriffen stehen, bleiben gültig und müssen wiedererobert und neu aktualisiert werden, wenn man gewissen Verallgemeinerungen entgehen will, die sich als schädlich erwiesen haben."

Der Raum dieser Erfahrungen, so hat Ingeborg Nordmann dies gelesen, ist der öffentliche. Ein Raum, in dem sich Gedanken begegnen, in dem Positionen entwickelt und erprobt werden. In dem es keinen Zwang zur Einigung gibt. Im Gegenteil. Politisch verantwortlich verhalten Menschen sich nur, wenn eine Vielheit von Positionen zugelassen, ausgehalten und gehalten wird. Wenn ein Abend an einem öffentlichen Ort dies ermöglicht, haben sie sich dem Verschwinden des Politischen entgegengestellt. Auch wenn sie über Dinge sprechen, die in der Alltagssprache nicht als "politisch" gelten. Über die Seele zum Beispiel, so das Thema einer Vortragsreihe. "Seele" - sicher eine dieser abgegriffenen Münzen. Ein abgedroschenes Wort, nur mit einer Prise Ironie zu gebrauchen. Die Vorträge dieser Serie hätte ich gerne gehört, pendelten sie doch zwischen Psychoanalyse und Hirnforschung, Literatur, Malerei und Photographie.

Erfahrungen - im Rahmen der Stadtakademie hieß das immer auch, neben intellektuellen auch sinnliche Erfahrungen zu ermöglichen. Also Sprechen und Nachdenken, und ebenso Sehen und Hören. Viele Vortragsreihen waren von Ausstellungen begleitet, andere von Lesungen oder Aufführungen, von Konzerten und Filmvorführungen. Um ein Unterhaltungsprogramm zur Auflockerung trockener Vorträge ging es dabei nicht. Im Gegenteil. Erst im Wechselspiel der Erfahrungen, im Dialog der Sinne erschließt sich die Welt. Oft machten die Programme die Vielfalt von Wahrnehmungen selbst zum Gegenstand der Reflexion: Wort und Bild zum Beispiel, Stimme und Haut. Wahrnehmungen, die sich nicht gegenseitig erklären oder veranschaulichen. Wenn sie in ihrer Eigenart bedacht werden, ordnet sich die Vielfalt von Eindrücken zum Reichtum von Erfahrungen.

Erlauben Sie mir hier eine kleine Abschweifung. Mit Frau Nordmann verbindet mich neben dem gemeinsamen Nachdenken über Hannah Arendt auch die Liebe zu Texten einer Autorin, der Arendt ein Buch gewidmet hat: Rahel Levin, als Rahel Varnhagen in die Geschichte eingegangen. Deutsche Jüdin - ein Leben in der großen Umbruchszeit um 1800. Damals entwickelten Frauen ihre Gedanken nicht in Büchern. Sie verstreuten sie in Briefen an Freundinnen und Freunde. 1819, als Europa nach dem Aufbruch der Französischen Revolution in eine alte Ordnung zurück gezwungen wurde, entwarf sie eine kleine Skizze geglückter Kommunikation. Dabei hatte sie nicht den öffentlichen Raum im Sinn - der stand Frauen nicht offen -, sondern ein Zusammenkommen, das wir heute im Rückblick "Salon" nennen.

"Die ganze Konstellation von Schönheit, Grazie, Koketterie, Neigung, Liebschaft, Witz, Eleganz, Kordialität, Drang die Ideen zu entwickeln, redlichem Ernst, unbefangenem Aufsuchen und Zusammentreffen, launigem Scherz, ist zerstiebt. Alle Rez-de Chaussee's sind Laden, alle Zusammenkünfte Dinés oder Assembléen, alle Diskussionen beinah –Sie sehen am Ausstreichen meine Verlegenheit um ein Wort: ich meine un rendez-vous für eine ächtere künftige, und eine fade Begriffsverwirrung. Jeder ist klug; er hat sich alles dazu bei einem Anführer einer Meinung gekauft. Es sind noch unendlich viele gescheidte Leute hier: und ein Rest von Geselligkeit, die in Deutschland einzig ist. " (BDA II, 609f.)

Im Gegenschnitt der Szenen wird deutlich, worum es geht. Auf der einen Seite Ernst und Unbefangenheit, und beides, damit dem "Drang die Ideen zu entwickeln" nachgegeben werden kann. Ein Bild großer Beweglichkeit, in dem Blicke und Worte hin- und herfliegen. Im zweiten eine starre Anordnung - assembléees und dinées - bei denen sich die Anwesenden in einer gegebenen Ordnung bewegen. Choreographiert von Instanzen, die man doch stürzen wollte. Dann fällt das Wort: Meinung. An die Stelle des "Drangs, die Ideen zu entwickeln" ist nun das Nachplappern von Meinungen getreten, die man sich auf dem Marktplatz bürgerlicher Öffentlichkeit irgendwo teuer oder auch ganz billig kaufen kann. Wir sind heute dauernd aufgefordert, unsere Meinung zu sagen. Die Medien leben davon. Und nirgendwo kann man besser beobachten, dass da nur Vorgefertigtes zur Sprache kommt.

Meinungen. Meine eindringlichste Erinnerung an Abende in der Stadtakademie ist die an die leisen, sehr genauen und ganz entschiedenen Interventionen von Ingeborg Nordmann, wenn jemand seine Meinung sagte. Eine Meinung stoppt den "Drang, die Ideen zu entwickeln". Sie vereinzelt uns. Macht den Raum des Politischen enger und enger. In einer Atmosphäre von "redlichem Ernst, unbefangenem Aufsuchen und Zusammentreffen", um noch einmal an Rahel Levins Worte anzuknüpfen, geschieht etwas anderes. Hier gibt es Raum für eigenes Nachdenken, hier können wir Sicherheit gewinnen und selbst urteilen. Diese Sicherheit vereinzelt nicht. Im Gegenteil. Sie erst gibt uns die Möglichkeit, uns politisch zu verhalten. Die Bedeutung dieser Interventionen kann daher nicht hoch genug geschätzt werden. Sie begegneten der "Gefahr, daß das Politische überhaupt aus der Welt verschwindet" .Vom Schwinden des Politischen, vom drohenden Verschwinden dieses Bereichs, werden alle anderen Bereiche unseres Lebens in Mitleidenschaft gezogen. Hannah Arendt nennt sie die "Oasen": "Durch die Flucht aus der Politik verschleppen wir die Wüste überall hin - Religion, Philosophie, Kunst. Wir ruinieren die Oasen." (April 1955) "Die Oasen sind all jene Felder des Lebens, die unabhängig oder großenteils unabhängig von politischen Bedingungen existieren. Was schief gegangen ist, ist die Politik, das heißt wir, insofern wir im Plural existieren - und nicht das, was wir tun und herstellen können, insofern wir im Singular existieren: in der Abgeschiedenheit wie der Künstler, in der Einsamkeit wie der Philosoph, in der eigentlich weltlosen Beziehung zwischen Mensch und Mensch, wie sie in der Liebe und manchmal in der Freundschaft gegeben ist (wenn, in der Freundschaft, ein Herz sich direkt dem anderen zuwendet, oder wenn, in der Liebe, das Zwischen, die Welt, in der Leidenschaft des Zwischen in Flammen aufgeht)."

Von hier aus gelesen bekommt die Serie der Programme, wie sie Ingeborg Nordmann entwickelt hat, ihren Sinn. Nachgedacht wurde über die Oasen in allen ihren Facetten. Über Liebe und Freundschaft, das Winzige und das Unwichtige. Die Räume der Stadtakademie ermöglichten Passagen aus der Abgeschiedenheit und Einsamkeit hinüber in die Welten, die wir gemeinsam erzeugen.

Das stellte an alle, die sich da versammelten, große Anforderungen. Politiker waren aufgefordert, nicht ihre abgegriffenen Münzen wieder in Umlauf zu bringen. Ich kann mir vorstellen, dass dies für viele nicht eben leicht war. Im Zeitalter von Talkshows und Interviews ist kaum noch Raum für ein anderes Sprechen. Wissenschaftler sollten das Experiment wagen, die Voraussetzungen ihres Sprechens mitzubedenken. Sie traten ja aus der Universität in einen anderen Bereich. Manchmal ergaben sich daraus überraschende Begegnungen, manchmal war's wohl eher ein Verfehlen. Die Zuhörer schossen mit Witz und Ironie, wenn die Vortragenden an diesem Experiment scheiterten. Manchmal kippte das Sprechen auch ins babylonische, und die Vortragende fragte sich, wie denn nun dieser Redebeitrag mit ihrem Vortrag zusammenhängt.

Doch für alle galt: Wir kamen an einen Ort, der in einen klaren Rahmen gestellt war. Sorgfältig ausgearbeitet die Frage, um die es gehen sollte. Sorgfältig zusammengestellt der Kontext, in dem sie zu entfalten war. Und dann dieselbe Sorgfalt und Genauigkeit in der Veranstaltung selbst. Frau Nordmanns Einführungen der Referenten: präzise und auf den Punkt gebracht. In die Diskussionen kein lenkender, und schon gar kein dirigierender Eingriff. Bestimmt und entschieden bestand sie auf Genauigkeit im Nachdenken, und damit darauf, dass in jeder Veranstaltung die Chance genutzt wird, mit anderen gemeinsam an einer Frage zu arbeiten. Ein eminent politisches Verhalten. Jede Veranstaltung an der Stadtakademie war eine kleine Schule dieser Kultur. Es waren Versuche, der Flucht aus der Politik etwas entgegenzustellen und damit auch die Oasen zu erhalten, in die wir nach einem Abend hier wieder zurückkehrten. Eine Oase ist keine Idylle. Es ist ein Raum, der geschützt werden muss. Sonst verschwindet er.

All dies geschah in den Räumen einer Kirche. Auch an diesem Punkt war Ingeborg Nordmann ganz entschieden: In einer Gesellschaft, in der der Raum des Politischen sich so erschreckend verengt, ist die Kirche gefordert, Öffentlichkeit herzustellen. Für alle. Setzt sie eine Gemeinsamkeit oder Gemeinschaft voraus, dann ist wieder einer von diesen wenigen Orten verloren. Es darf auch nicht Zweck und Ziel ihrer Arbeit im öffentlichen Raum sein, auf solche Gemeinsamkeiten hinzuarbeiten. Dafür gibt es andere Veranstaltungen. Diese Unterschiede sind wichtig. Wenn sie verwischt werden, ist dies ein weiteres Zeichen für die Flucht aus der Politik. Das religiöse Leben wird dadurch nicht gestärkt. Im Gegenteil. Es verflüchtigt sich im Nebel von Weltanschauungen. Eine Öffentlichkeitsarbeit, wie Ingeborg Nordmann sie hier so vorbildlich entwickelte, schützt auch den Raum des Religiösen, weil es ihn in seiner Besonderheit akzeptiert.

Frau Nordmanns Arbeit hat weit über Frankfurt hinaus gewirkt. Viele Diskussionen, die uns in den letzten Jahren beschäftigt haben, begannen hier. In vielen Gesprächen ergaben sich immer wieder Verknüpfungspunkte zu Frankfurter Veranstaltungen. Wenn ich mich nun bei Ingeborg Nordmann bedanke, dann kann ich das auch im Namen vieler anderer tun, die ihrer Einladung an die Stadtakademie gefolgt sind. Über viele, viele Jahre hat sie hier einen Ort geschaffen, an dem man Erfahrungen machen konnte. Sehend, hörend, debattierend. Erfahrungen, die selbst die "abgedroschensten Begriffe" wieder mit Leben füllten. Das ist etwas sehr Kostbares. Ich danke Ingeborg Nordmann dafür, dass sie uns allen diese Möglichkeiten immer wieder eröffnet hat.